Die Straße wurde benannt nach dem Bauingenieur James Hobrecht,
der Berlin im 19. Jahrhundert geprägt hat:
- Bau der Berliner Kanalisation (1873-1893) mit Pumpwerken
- Bebauungsplan von 1862, der Hobrechtplan: Dieser Plan überließ privaten Investoren große Grundstücke zur Bebauung und reduzierte die staatliche Planung auf die Flächenreservierung und den Ausbau des Straßennetzes.
- Da seit der Bauordnung von 1853 festgelegt war, daß Häuser nur dann eine Höhe von 22 m aufweisen dürfen, wenn die Straße 15 m breit war und aufgrund der nur noch geforderten 7 % Mindesthoffläche, wurden plötzlich Bebauungen mit mehreren Hinterhöfen möglich.
- Jeder Hof mußte aber etwa 28 qm groß sein, damit die Feuerwehr Zugang hatte.
James Hobrecht 1825 -1902
Vermessungsingenieur und Baumeister für Wasser-, Wege- und Eisenbahnbau
Ingenieur und Verfasser des Bebauungsplanes vom 06.12.1861
- geboren am 31.12.1825 in Memel
- nach mehrmaligem Wechsel zwischen einer landwirtschaftlichen und
der Bauausbildung, unterbrochen vom Militärdienst, Abschluß des Studiums an der Bauakademie 1858 - Anstellung beim Polizeipräsidium und nebenberufliche Tätigkeit
für die Gemeinnützige Berliner Baugenossenschaft (Ausarbeitung des Bebauungsplanes) - 1860 Bildungsreise durch England, Frankreich und Deutschland mit E. Wiebe
- ab 15.12.1861 Stadtbaurat von Stettin
- 19.05.1869 Ernennung zum Chefingenieur der Berliner Kanalisation und Bau des Radialsystems
- 1872-1874 Lehrtätigkeit an der Bauakademie
- 1880 Aufenthalt in Moskau, Erarbeitung eines dortigen Bebauungsplanes
- 20.12.1884 Wahl zum Stadtbaurat für Straßen- und Brückenbau in Berlin
- 1887 Besuch in Tokio zur Begutachtung deren Bebauungsplanes
- 1892/ 93 Besuch in Kairo und Alexandria zwecks gleicher Aufgaben
- 1897 Ruhestand
- 08.09.1902 gestorben in Berlin
Hobrecht hat einen Plan
Mit der zunehmenden Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Tausende nach Berlin, um hier nach Arbeit zu suchen, doch diese Menschen konnten nicht alle untergebracht werden.
Auf den Bildern sehen wir eine Familie mit 10 Kindern und den Großeltern, die um 1907 in einer Einzimmer Wohnung mit Küche leben, sowie eine Familie mit Kind, ebenfalls in einer Miniwohnung.
Andererseits gab es auch für die Industrie kaum eine funktionierende Infrastruktur. Sandwege, Stadtmauer und fehlende Bahnanschlüsse standen der Expansion im Wege. Um vor den Toren der Stadt die wilde Bebauung zu stoppen, musste also etwas geschehen; so gab der Magistrat die Entwicklung eines Bebauungsplanes in Auftrag.
Dieser Plan hatte aber nicht nur die zukünftige Straßenführung zu regeln, sondern einiges mehr: zum Beispiel die Häuserformen, die Aufteilung der Bevölkerungsstruktur, das Verhältnis zwischen Wohnen, Gewerbe, Erholung und Verkehr.
Die Baupolizeiordnung vom 2. April 1853, nach der die Bebauung zu erfolgen hatte, sah keinerlei Beschränkungen für die Bebauung der Grundstücksfläche vor. Nur zwei Daten waren vorgegeben:
1. Die Hinterhöfe mussten mindestens 5,34 x 5,34 Meter (also 28,5 qm) messen, das war der für die Feuerwehrspritzen erforderliche Wendekreis;
2. die Gebäudehöhe durfte die Breite der Straße nicht überschreiten. Damit sollte verhindert werden, dass bei einer Brandkatastrophe einstürzende Fassaden das gegenüberliegende Haus zerstörten.
Dieses große Werk umzusetzen, wurde der Baurat James Hobrecht beauftragt. Er stand nun vor der Aufgabe, die Gebiete außerhalb der noch existierenden Mauern einzubinden in eine noch zu schaffende, neue Stadtstruktur. Um einmal das Größenverhältnis zu verdeutlichen: Übertragen auf die heutigen Stadtbezirke bestand Berlin damals aus dem alten Mitte, dem nördlichen Kreuzberg und dem westlichen Friedrichshain. Doch das künftige Stadtgebiet sollte nun neben Mitte ganz Kreuzberg, ganz Friedrichshain, den Prenzlauer Berg, Wedding und Moabit sowie Teile von Reinickendorf, Weißensee, Hohenschönhausen, Lichtenberg und Neukölln umfassen. Insgesamt würde das zukünftige Stadtgebiet um etwa 170% vergrößert werden.
Und das wurde alles sozusagen am Reißbrett geplant - eine riesige Aufgabe!
Der von Hobrecht vorgelegte Bebauungsplan rief natürlich erstmal massenhaft Kritiker auf den Plan. Zwar orientierte sich Hobrecht schon an den vorhandenen, vor allem den größeren Straßen und Wegen, besonders an denen, die von den Stadttoren abgingen. Doch viele der existierenden Wege sollten noch der neuen Stadtaufteilung geopfert werden.
Die Grundidee Hobrechts war, nicht nur eine große, zentrale Stadt zu bauen, bei der alles ausschließlich auf das Zentrum ausgerichtet ist, sondern einzelne Stadtteile zu schaffen, die wir heute als »Kieze« beschreiben. Es waren einerseits breite Straßen geplant, die sternförmig zum Inneren der Stadt führten, also etwa zum Alexanderplatz. Diese Magistralen wollte er dann durch ringförmig angelegte Straßen miteinander verbinden. Hobrecht sah vor, dass diese Straßen den Hauptverkehr aufnehmen sollten, während sich innerhalb der so entstandenen Gebiete die Wohnviertel befinden. Kleine Straßen und Plätze sollten hier das Leben bestimmen, und in jedem dieser Viertel sollte ein »Karree«, also über ein oder zwei Blocks verteilt, ein kleiner Park angelegt werden, in dem die Bevölkerung ihre Erholung finden könnte. Zusätzlich zu Hobrechts Planung wurde von der Stadt beschlossen, in jedem Bezirk einen großen Volkspark anzulegen. Das waren dann der Humboldthain, der Friedrichshain sowie der Kreuzberg.
James Hobrecht sah seine Aufgabe vor allem darin, eine für die Bevölkerung lebenswerte Stadt aufzubauen. Das zeigt sich auch daran, dass er große Industriekomplexe entweder außerhalb der Stadt ansiedeln wollte, oder doch zumindest innerhalb der Häuserblöcke. Er entwickelte die Idee des Arbeitens und Wohnens an einem Ort, woraus die »Berliner Mischung« entstanden ist: Das Vorderhaus, mit Handel oder Gastronomie im Erdgeschoss, darüber die Hausbesitzer oder Verwalter, darüber Beamte oder Angestellte. In den Hinterhäusern waren die Arbeiter und Rentner untergebracht, während weiter im Blockinneren Betriebe angesiedelt wurden. Die berühmten Fabrikgebäude, die man aus Platzmangel nicht in die Breite, sondern in die Höhe ziehen musste, sind ein Merkmal dieser damals neu entstandenen Stadtstruktur.
Nebenbei verfiel Hobrecht der Illusion, die unvermeidlichen Klassengegensätze aufzuheben oder zumindest Verständnis füreinander zu wecken: »In der Mietskaserne gehen die Kinder aus den Kellerwohnungen in die Freischule über denselben Hausflur wie diejenigen des Rats oder Kaufmanns auf dem Wege nach dem Gymnasium.
Im Großen und Ganzen wurde der Plan von Hobrecht umgesetzt. Selbstverständlich geschah dies nicht innerhalb von wenigen Jahren, er wurde auch immer wieder von Anderen überarbeitet, gekürzt oder erweitert. Eine der Kritiken an Hobrecht war, dass er nicht nur für die Gegenwart geplant hatte, sondern zu sehr vorausschauend für die Zukunft. Der heute existierende Verkehr, besonders der motorisierte, war ja vor 140 Jahren in dieser Form noch gar nicht abzusehen. Dreißig Jahre bevor das erste Auto erfunden wurde, plante Hobrecht schon eine Straßenstruktur, die wie auf den privaten Massenverkehr zugeschnitten war. Damals jedoch waren die breiten Straßen für Viele ein Ärgernis, weil sie eine neue Struktur darstellten, die von den bis dahin existierenden engen Wohn- und Verkehrsverhältnissen abwich. Das Gleiche gilt auch für die als nutzlos angesehenen Plätze.
Dazu kam, dass übergeordnete Stellen Vorgaben machten, die zwar dem Plan widersprachen, aber trotzdem bindend waren. Vor allem ist da die Anlage der Ringbahn zu nennen, die in Hobrechts Plan überhaupt nicht berücksichtigt worden war und die ursprüngliche Planung in diesem Bereich natürlich stark veränderte. Dazu kamen die Ansprüche z.B. der Kirchen, repräsentativer vertreten zu sein, als es vorgesehen war.
Hobrecht selbst war auch erst Ende der 50er-Jahre maßgeblich beteiligt, während erste Gedanken und Pläne schon Jahre vorher veröffentlicht und diskutiert wurden. Im Mai 1859 wurde bekannt gegeben, dass Hobrecht mit den Vermessungsarbeiten begonnen habe. Und obwohl er von der Vermessung bis zur Ausarbeitung des Bebauungsplans nicht mehr als drei Jahre gebraucht hat, hat er sich damit in Berlin doch ein Denkmal gesetzt, das mehrere Quadratkilometer groß ist. Hobrecht war nur wenige Jahre in Berlin, hat aber die Struktur dieser Stadt beeinflusst, wie kaum jemand Anderes vor oder nach ihm.
Bei allem Lob für Hobrechts Werk muss man aber auch Kritik anbringen. Hobrechts Ziel war es, möglichst viele Menschen effektiv und wenigstens ein bisschen menschenwürdig unterzubringen, nach Möglichkeit auch in der Nähe ihrer Arbeitsstelle. Doch dieses Vorhaben hat nur zum Teil geklappt; einige Parks täuschen eben nicht darüber hinweg, dass auch die unmittelbaren Lebensräume - also die eigene Wohnung - eine gewisse Lebensqualität bieten müssen. Sicher waren die Ansprüche im 19. Jahrhundert niedriger als heute und man war schon froh, wenn es fließendes Wasser auf den Etagen gab. Trotzdem ist Hobrechts Planung größtenteils für den Bau der sogenannten Mietskasernen verantwortlich. Und diese konnten spätestens ab Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr den Ansprüchen eines lebenswerten Wohnens gerecht werden. So wurden mehr und mehr Menschen in die Häuser gestopft, und als es gegen Ende des Ersten Weltkrieges und dann wieder in den zwanziger Jahren den Arbeiterfamilien immer schlechter ging, mussten manchmal zwei Familien in einer Wohnung leben.